Ich muss nur noch 148 Mails checken

Kennen Sie den Song „Nur Noch Kurz Die Welt Retten“ von Tim Bendzko?

Für mich ein Song den ich vieler meiner Managementkollegen, aber auch teilweise meinen Mitarbeitern empfohlen habe, wenn Sie mich um ein Gespräch baten und sich dabei herausstellte, dass sie mit der Arbeitsbelastung nicht (mehr) klarkamen.

In den letzten 10-15 Jahren hat sich das Thema Überlastung, Überforderung auf allen Hierarchiestufen massiv vervielfacht. Was mich dabei am meisten „schockiert“, ist die Tatsache, dass dies auf Mitarbeiterstufe, prozentual gesehen, genauso verbreitet ist wie im höheren Managementlevel. Vermehrt bei jüngeren Mitarbeitern (<40).

Dabei geht es selten darum, dass ein Mitarbeiter oder Manager nicht qualifiziert ist für seine Aufgabe, sondern vielmehr darum, dass die Abgrenzung zwischen Auszeit und Arbeit immer schwammiger geworden und teilweise komplett verschwunden ist.

Ein anderer Punkt den ich in meiner Funktion als HR Leader immer wieder feststellte: Fast alle Mitarbeiter die sich bei mir für ein Gespräch angemeldet haben gaben als Thema „Standortbestimmung“, „Karriereschritt“, „Veränderungswunsch“, „Laufbahnberatung“, etc. an. Es kam kaum jemand zu mir und bat mich um Rat wegen „Überarbeitung oder Überforderung“. Dieses Thema kam immer erst im Laufe des Gesprächs „zu Tage“.

Gründe dafür waren fehlende Selbstreflektion, Angst, Unsicherheit, „nicht als Versager gelten wollen “, Scham, etc. In den meisten Fällen gelangen die betroffenen Mitarbeitenden auch zu einem sehr späten Zeitpunkt an Vorgesetzte und /oder die HR Abteilung. Dies zeigte sich dadurch, dass der Stresslevel bereits sehr hoch war. Gereizte Reaktionen, lustlos, kaum gesprächs- bzw. veränderungsbereit, Abwehrhaltung, dünnhäutig, impulsiv, häufigere Ausfälle waren die gängigsten Symptome. Erkennt man die Situation erst zu so einem späten Zeitpunkt, ist es oft sehr schwierig und langwierig die richtigen Massnahmen zu finden und einzuleiten, um den Mitarbeitenden in der Unternehmung halten zu können.

Es ist sicher der Mensch, der so „programmiert“ ist, aber auch das soziale Umfeld und die Unternehmenskultur, die eine offene und ehrliche Kommunikation -zwar ungewollt – aber dennoch oftmals nicht fördern oder ihr zu wenig Beachtung schenkt.

Für mich gibt es bei Arbeitsüberlast, nach Burnout, immer zwei Seiten: der Mitarbeiter mit seiner Persönlichkeit und die Unternehmenskultur.

Als Mitarbeiter und Individuum haben wir in der heutigen Zeit „vergessen“, dass die persönliche Balance und Zufriedenheit grundsätzlich von einem selbst abhängen und nicht von unserem Umfeld (Arbeit, Familie, Freunde, Sozialmedia, Presse, etc.) gesteuert wird. Die Unternehmen sind sich heute zwar dieser Themen bewusst, jedoch vergessen sie – trotz aller Vorkehrungen, Schulungen, Massnahmen und Sensibilisierung – dass sich die Überforderung oder Überlast in der Regel nicht nur auf die Arbeitsbelastung zurückführen lässt.

Das persönliche Umfeld Familie, Freunde, Gestaltung der Freizeit, Abgrenzung Privat und Beruf, Meinungsbildung, etc. hat mindestens genauso viel Einfluss auf die persönliche Balance. Auf diese Komponenten hat die Unternehmung zwar kaum oder keinen Einfluss. Jedoch um eine stabile und gesunde Mitarbeiterschaft zu erhalten, sollten diese Erkenntnisse stets mit in die Mitarbeiterführung fliessen.